Gedanken zur Freilandhaltung

Ich pflege meine tunesischen Landschildkröten so wie ägyptische Landschildkröten (Testudo kleinmanni) ganzjährig im Zimmerterrarium, weil sie, auch zeitweise, kühlere Temperaturen nicht vertragen. Beide Schildkrötenarten leben in Küstennähe, stammen geografisch aus der gleichen Zone und benötigen daher ähnliche klimatische Bedingungen. Außerdem besteht bei Freilandhaltung permanent die Gefahr einer Infektion durch Salmonellen und Parasiten durch Vögel.

Selbstverständlich studiere ich aufmerksam alle verfügbaren Haltungsberichte anderer Züchter, die teilweise Freilandhaltung praktizieren. Echte technikfreie Freilandhaltung, also ohne beheiztes Glashaus oder Frühbeet, wäre nur im Hochsommer, nur bei sogenanntem Badewetter, und da auch nur tagsüber möglich. Wieviel öfter gibt es kühle Schlechtwetterperioden, wo sich die Tiere mit Sicherheit Schnupfen und Lungenentzündung holen. Das Risiko wäre viel zu groß.

Ein geheiztes Glashaus oder Frühbeet mit Freilaufmöglichkeit wird des öfteren empfohlen, es scheint auch zu funktionieren.

Es heißt, der mitteleuropäische Sommer draußen imitiere den tunesischen Winter und die Zimmerhaltung drinnen den tunesischen Sommer, es werden also quasi die Jahreszeiten umgedreht. Klingt ja eigentlich nicht so unlogisch, aber:

Im Herbst kommen die Schildkröten dann ins wohltemperierte Zimmerterrarium und bekommen prompt den berühmten Schnupfen, der dann mit zu staubigem Bodensubstrat oder zu geringer Luftfeuchtigkeit erklärt wird.

In Wahrheit scheint es aber so zu sein, dass es ihnen so geht wie gestressten Menschen, die dann im Urlaub und am Wochenende krank werden. In Stressperioden (also dem wechselhaften mitteleuropäischen Wetter) arbeitet das Abwehrsystem auf Hochtouren, wenn der Stress dann nachlässt und scheinbar alles perfekt ist, haben die Erreger leichtes Spiel.

Mancher eingefleischte Motorradfahrer weiß auch ein Lied davon zu singen. Obwohl er bei jedem Wetter und bei jeder Temperatur unterwegs ist und dabei nicht krank wird, wird er mit Sicherheit krank, wenn die Maschine endgültig eingewintert wird und er auf das Auto umsteigt.

Außerdem bedeutet jeder Ortswechsel für die sehr revierbezogenen Schildkröten hochgradigen Stress.

Und zu guter Letzt gebe ich noch zu bedenken, dass, im ländlichen Bereich sowieso, aber zunehmend auch in der Großstadt, zahlreiche Raubtiere, wie Fuchs, Dachs und Marder auf Beutesuche sind. Gerade Marder sind wahre Meister darin, Hindernisse zu überwinden.

Die untenstehenden Bilder habe ich mittels Fotofalle in meinem Garten in Wien aufgenommen.

Die exotischen Zuwanderer Goldschakal, Waschbär und Marderhund werden ebenfalls immer öfter gesichtet. Krähen gehören zwar zur Familie der Singvögel (kaum zu glauben), sind aber im übertragenen Sinn auch Raubvögel, obwohl sie so nett ausschauen. Sie sollen schon Schildkröten in die Luft getragen und zum Knacken auf den Beton fallen gelassen haben, eine Abwandlung der bekannten Nusstechnik.

Bei einer ausgewachsenen Testudo hermanni oder Testudo marginata wird das wohl nicht möglich sein, aber bei den kleinen Tunesiern??

Apropos Testudo hermanni, Testudo marginata, Testudo horsfeldii und Testudo graeca ibera, um hier sicher keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, diese Arten (wenn sie ausgewachsen sind) brauchen sehr wohl Freilandhaltung in der warmen Jahreszeit, die ist sogar amtlich vorgeschrieben, sie vertragen auch problemlos unser Klima und brauchen ihren Winterschlaf.